Reichtum als moralisches Problem by Christian Neuhäuser

Reichtum als moralisches Problem by Christian Neuhäuser

Autor:Christian Neuhäuser
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Moralphilosophie, Würde, Kapitalismus, Altruismus
Herausgeber: Suhrkamp Verlag


Fragilität der Märkte

In den letzten Jahren sind die Gefahren der großen Kapitalbewegungen an Finanzmärkten immer deutlicher geworden. Je größer die frei beweglichen Kapitalmengen sind, desto fragiler wird das Wirtschaftssystem insgesamt, und desto negativer fallen die sozialen Konsequenzen aus. Der zentrale Grund dafür ist meiner Einschätzung nach, dass so große Kapitalmengen nur in zunehmend riskanteren Formaten angelegt werden können und rasche Kapitalbewegungen bei immer größeren Summen immer weitreichendere Auswirkungen auf die davon abhängigen Realwirtschaften haben. Das hat besonders deutlich die Immobilienblase in den USA gezeigt, bei der viel zu schnell viel zu viel Kapital in den Immobilienmarkt geflossen ist, bis plötzlich allen beteiligten Akteuren klarwurde, wie unsicher dieser Anlagebereich ist, und es zu einem Zusammenbruch kam.[42] Das hat sich aber auch in der Eurokrise gezeigt, in der plötzlich einige schon seit längerer Zeit ziemlich marode Volkswirtschaften in das Zentrum der Aufmerksamkeit der Finanzmärkte rückten. Die Abwertung durch Rating-Agenturen führte zu allerlei Spekulationen an den Börsen und stürzte die be191troffenen Länder, allen voran Griechenland – und mit diesem recht kleinen Land die gesamte EU –, in eine jahrlange Krise.[43] Es ist nicht zu bestreiten, dass insbesondere Griechenland aus verschiedenen Gründen schon vorher große volkswirtschaftliche Probleme hatte. Allerdings führt die hohe Beweglichkeit des Kapitals dazu, dass eine Abwertung der Kreditwürdigkeit innerhalb kürzester Zeit die Kapitalzufuhr so schnell und so stark absenkt, dass eine sozial verträgliche Reformpolitik kaum noch möglich erscheint. Vielmehr hat sich am Beispiel Griechenlands offenbart, dass die Finanzmärkte durch ihre Effizienzlogik ganze Länder zu einer radikalen Reformpolitik zwingen können, die mit außerordentlich hohen persönlichen Kosten für sehr viele Menschen einhergeht und ihre Würde grundsätzlich bedroht.[44]

Es ist wichtig zu sehen, dass die Fragilität und insbesondere die Reichtumsorientierung der Finanzmärkte zudem erhebliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben. Der grundsätzliche Zusammenhang lässt sich gut an einem vereinfachten Beispiel nachvollziehen. Stellen wir uns ein Unternehmen vor, dass aufgrund einer neuen grünen Technologie enorm erfolgreich ist, die den Energieverbrauch von elektronischen Geräten stark senkt. Dadurch hilft es seinen Kunden dabei, erhebliche Kosten zu sparen und gibt ihnen auch noch das gute Gefühl, etwas für die Umwelt zu tun. Das Unternehmen wächst rasch und muss sich für seine Expansion viel Geld von den Banken leihen. Dadurch wird das Unternehmen aber auch von der Gewinnorientierung der Banken abhängig.[45] Diese werden dann ihren Einfluss geltend machen, damit das Unternehmen so gewinnbringend wie möglich wirtschaftet. Um das durchzusetzen, werden sie mit Kapitalentzug drohen, wenn sich das Unternehmen der Gewinnorientierung versperrt. Wenn die Banken selbst aufgrund der Fluktuationen an den Finanzmärkten in Bedrängnis geraten, dann werden sie diesen Druck 192massiv erhöhen. Das Unternehmen selbst wollte sich ursprünglich vielleicht gar nicht dieser Logik unterwerfen, sondern sich eher für gute Bezahlung und Demokratie am Arbeitsplatz einsetzen sowie sicht- und spürbar soziale Verantwortung zeigen. Jetzt muss es jedoch dem Druck der Banken folgen und selbst reichtumsorientiert agieren, weil der angedrohte Kapitalentzug sonst viele bereits bestehende Arbeitsplätze gefährden würde. Die Banken selbst können auch kaum anders, als so zu agieren, denn es ist ihr Kerngeschäft, Gewinne über Investitionen zu erzielen. Dadurch ist eine systemische Dynamik



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